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Kfz-Kaufvertrag: Unterschlagung während einer Probefahrt und gutgläubiger Erwerb

Kfz-Kaufvertrag: Unterschlagung während einer Probefahrt und gutgläubiger Erwerb

Wer einem Kaufinteressenten einen Pkw für eine unbegleitete Probefahrt überlässt, riskiert dabei, dass der vermeintliche Interessent das Fahrzeug wirksam an einen Dritten verkauft und übereignet. Streitgegenständlicher Sachverhalt musste das OLG Celle mit Urteil vom 12.10.2022 (7 U 974/21) entscheiden.

Ein Autohaus überließ einem angeblichen Kaufinteressenten einen Audi Q5 für eine einstündige Probefahrt. In dem Fahrzeug waren zwei SIM-Karten verbaut, die eine Ortung durch die Polizei mit Unterstützung der Herstellerin grundsätzlich ermöglichten. Der Interessent verkaufte das Fahrzeug, unter Nutzung von falschen Personalien gegen Barzahlung für 31.000 EUR über Ebay, an einen gutgläubigen Dritten. Nachdem das Fahrzeug von der Polizei sichergestellt und anschließend zugunsten des Autohauses freigegeben wurde, verkaufte das Autohaus das Fahrzeug. Der gutgläubige Erwerber verlangte nun vom Autohaus die Herausgabe des Veräußerungserlöses für das Fahrzeug, da er schließlich dieses gutgläubig erworben hatte. Das OLG Celle gab ihm Recht. Demnach hatte er vom Betrüger gutgläubig das Eigentum an dem Fahrzeug erlangt. Die wesentlichen Erwägungen des Senats waren:  

Die Kaufsache war nicht abhandengekommen: Grundsätzlich normiert der § 935 I BGB, dass ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten ausscheidet, wenn die Kaufsache dem ursprünglichen Eigentümer gestohlen wurde oder diesem abhandengekommen ist. Jedoch ist dies nicht der Fall, wenn der Besitz freiwillig aufgegeben wird, selbst zum Zwecke einer einfachen unbegleiteten Probefahrt. 

Ortungsmöglichkeit über SIM-Karten unerheblich: Der Umstand, dass das Fahrzeug über eine die eingebaute SIM-Karte hätte geortet werden können, ändert am Sachverhalt nichts. Diese Ortungsmöglichkeit ist nicht mit einer begleiteten Probefahrt gleichzusetzen. Die Ortung war nämlich nur mit erheblicher Verzögerung über die Polizei und den Hersteller möglich und schloss deshalb einen gutgläubigen Erwerb des Wagens nicht aus. 

Fälschung des „KfZ-Briefs“: Ein gutgläubiger Erwerb ist auch dann ausgeschlossen, wenn der Käufer grob fahrlässig verkannt hat, dass das Fahrzeug nicht dem Verkäufer gehörte. Hierfür muss sich der Käufer zumindest die Zulassungsbescheinigung Teil II (KfZ-Brief) vorlegen lassen. Die Zulassungsbescheinigung war in dem Streitfall aber derart professionell gefälscht, dass der Käufer die Fälschung nicht erkennen musste.

Verkauf von gebrauchten PKWs auf der Straße nicht unüblich: Schließlich ist der Verkauf von gebrauchten PKWs auf der Straße nicht unüblich. Auch die Barzahlung eines PKWs ist nicht verdächtig, da der Kaufpreis angemessen hoch war. Die fehlende Übergabe des Zweitschlüssels hatte der Verkäufer plausibel erklärt, sodass der Käufer keinen Verdacht hätte schöpfen müssen.

Dieser Fall wäre in Italien unterschiedlich entschieden worden, da nach italienischem Recht ein gutgläubiger Erwerb von eingetragenen Fahrzeugen gemäß Art. 1156 des italienischen Zivilgesetzbuches ausgeschlossen ist.